Yaroslav Romanyuk arbeitet an der Empa seit rund 15 Jahren an komplexen Dünnschicht-Technologien für Solarzellen, gedruckte Schaltungen, neuartige Festkörperbatterien und andere Anwendungen. Seit Anfang Juli leitet er das «Labor für Dünnfilme und Photovoltaik» und verfolgt mit seinem Team ehrgeizige Ziele – von innovativen Materialien über ein Start-up bis zu künstlicher Intelligenz für künftige Experimente.
Er hätte in Deutschland leben können, in den USA, in Polen vielleicht oder daheim in der Ukraine. Doch dann erlebte Yaroslav Romanyuk seinen Postkarten-Moment. Anno 2002 fuhr er zu einem Vorstellungsgespräch für ein Doktorat zur EPFL nach Lausanne: von Luzk in der Ukraine mit dem Bus über Polen nach Zürich; von dort in den Zug nach Lausanne, hinein in den Tunnel hinter Puidoux – und hinaus in die hinreissende Aussicht über die Rebberge auf den Lac Léman. Jener malerische Ort, von dem der Volksmund sagt, dass die Deutschschweizer dort ihre Retourbillets zerreissen und aus dem Fenster werfen.
Und so wurde es die Schweiz. Romanyuks Empa-Laufbahn begann noch in Zürich; 2008, als er mit dem inzwischen pensionierten Abteilungsleiter Ayodhya Tiwari mit dessen Solarzellen-Forschungsgruppe vom Zürcher Technopark an die Empa zügelte. Mit ihm verbinden den Chemiker wertvolle Erfahrungen und Erfolge wie mehrere Weltrekorde beim Wirkungsgrad von flexiblen Dünnschichtsolarzellen, ein Dutzend erfolgreiche, gemeinsam betreute Doktorarbeiten und vieles mehr. «Wir haben zusammen Forschungsrichtungen eröffnet, an die wir anfangs nie gedacht hätten!», sagt Romanyuk.
So soll es weitergehen: grosse Ziele mit dünnen Schichten und neuartigen Materialkombinationen, die ihn faszinieren, seit er forscht. Wie schon als Postdoc an der «University of California» in Berkeley, wo er an Halbleitern aus Gallium-Nitrit und ähnlichen Kombinationen arbeitete, dotiert mit seltenen Erden – für Lichtemissionen, also optische Anwendungen oder künftige Laser. Am Ende funktionierte das allerdings nicht. «Die Hindernisse waren leider stärker als ich», gesteht Romanyuk unumwunden, «es war auch wirklich eine ehrgeizige Idee! Und ich wollte damals unbedingt etwas Neues versuchen.»
Probieren geht über Studieren – auch in seinen heutigen Forschungsfeldern. Neben sehr zielgerichteten Projekten mit seinen Mitarbeitenden wie neuartigen Festkörperbatterien, hergestellt durch «Physical Vapor Deposition» (Gasphasen-Abscheidung), oder gedruckter Elektronik mit digitalen Druckverfahren entstanden manche Resultate auch unerwartet, zum Beispiel transparente Sicherheitsfolien für unsichtbare «Schlösser». Nicht alles lässt sich planen, meint Romanyuk: Manche Entdeckungen geschehen einfach; plötzlich und überraschend, wenn Teams mit Begeisterung arbeiten.
Er hat schon viele Talente betreut und gefördert, mit grosser Freude. Mehr als 40 Diplomarbeiten, die abgeschlossenen Doktorarbeiten – und viele Absolventen, so erzählt der Chef, arbeiten heute in leitenden Positionen bei renommierten Hightech-Firmen der Schweiz. «Das ist das Beste!», sagt er, «zusehen, wie sie sich weiterentwickeln und immer besser werden!» Nicht unter Druck, nein, weil Kreativität so nicht entstehen kann – sondern mit einem grossen Vorschuss an Vertrauen, Geduld und dem Wissen, dass auch Fehlversuche unter dem Strich oft zu wichtigen Fortschritten führen.
Stolz ist Yaroslav Romanyuk auch auf seine Mitarbeiter Moritz Futscher und Abdessalem Aribia, die kürzlich die Start-up-Firma «BTRY AG» gegründet haben – mit dem Ziel, eine Lithium-Ionen-Festkörperbatterie zur Marktreife zu entwickeln, die sich den schnellen Ladungstransport in Dünnschichtbatterien zunutze macht. «Das Problem dabei: Solche Batterien haben nur eine geringe Kapazität», erklärt Romanyuk, «unsere Idee ist nun: Wir stapeln mindestens zehn einzelne Zellen übereinander und bekommen so leistungsfähige Batterien, die sich in extrem kurzer Zeit laden und entladen lassen!» Zudem sind solche Elemente robuster als gängige Produkte und sicherer, weil nicht brennbar (siehe Infografik).
Um diese Technologie, die bereits patentiert ist, zur Einsatzreife zu entwickeln, sind freilich noch viele Schritte nötig. Derzeit arbeiten die Spezialisten an einem Prototypen im Labormassstab und suchen schon nach Investoren für die Weiterentwicklung, die sich dereinst auch bei Anwendungen für anspruchsvollen Technologien wie in der Luftfahrt lohnen könnte. Zwar werden die Kosten für solche Batterien wegen der aufwändigen Herstellung deutlich über denen gängiger Produkte liegen – dennoch sieht Romanyuk grosses Potenzial. «Wir haben mal für eine iWatch berechnet, dass unsere Batterie den Gesamtpreis um etwa fünf Prozent erhöhen würde», erklärt er, «aber für eine Ladezeit von weniger als einer Minute könnte das attraktiv sein, oder nicht?»
Vielfältige Technologien, spannende Projekte, ehrgeizige Ziele: Das bedeutet viel Koordination, jede Menge Mails und Kontakte, immer neue Forschungsanträge – mehr Management als früher und ein strenges Pensum, auch körperlich. Die nötige Ausdauer brauchte er schon bei seinem allerersten Job in der Forschung: ein 10-Prozent-Pensum im dritten Studienjahr an der «Volyn National University» in der Ukraine.
«Meine Aufgabe war es, nachts einen Ofen für Halbleiterkristalle zu kontrollieren und die Temperatur richtig einzustellen», erzählt Romanyuk, «also jede Stunde aufwachen, die ganze Nacht über, allein in diesem riesigen Gebäude!» Verhältnisse, die heute undenkbar wären – dank moderner Gerätschaften, wie im «Coating Competence Center» der Empa, wo dünne Schichten, etwa für Kontakte von Dünnschichtsolarzellen oder -batterien, tagtäglich rund um die Uhr entstehen. Auch ein Kostenfaktor durch Zeit- und Energieaufwand.
In Zukunft soll diese Arbeit effizienter werden: «Wir werden maschinelles Lernen und künstliche Intelligenz einsetzen», sagt Romanyuk. Ein Beispiel? Die Entwicklung digitaler Zwillinge von Batterien oder Solarzellen, noch bevor sie tatsächlich fabriziert werden. Solche virtuellen Modelle liessen sich verwenden, um Materialeigenschaften vorherzusagen – und das wiederum könnte die Zahl der nötigen Produktionszyklen im Vakuum reduzieren, was Zeit und Energie spart. «Die Herstellung einer Charge von Dünnschichtbatterien kann heute bis zu einer Woche dauern», erklärt Romanyuk, «wir sind an der Empa sozusagen die Vakuum-Rekordler!»
Sein Ausgleich? Frische Luft! Beim Schwimmen, Laufen oder auf den sechs Kilometern auf dem Velo zur Arbeit. Und beim Naturschutzverein daheim in Fällanden: Vögel beobachten und zählen, Storchennester und Nistkästen bauen; auch mit den beiden Söhnen, Marco und Taras, 3 und 14 Jahre alt. Den Jüngeren zeigt Romanyuk auf einem fröhlichen Foto im Garten – doch kurz nach dem Schnappschuss griff er in ein Wespennest und wurde mit einem Stich bestraft. «Da hat der Papi einen Moment lang nicht aufgepasst», sagt der Chemiker mit einem Lächeln: ein Pieks, kein Drama – und eine erste Erfahrung in Sachen grosser Neugier alias Forschergeist.
Der Forscher studierte Chemie an der «Volyn National University» in Luzk in der Ukraine und schloss das Studium 2002 mit dem Master summa cum laude ab. Sein Doktorat absolvierte er anschliessend an der EPFL, gefolgt von einem zweijährigen Forschungsaufenthalt an der «University of California» in Berkeley, den der Schweizerische Nationalfonds (SNF) finanzierte. An der Empa arbeitetet Romanyuk seit 2008; ab 2012 vertrat er als Gruppenleiter den Laborleiter und verantwortete die chemische Sicherheit des Labors. Zudem koordinierte er mehr als zehn Jahre lang die Aktion «Bike to work» an der Empa.
Die Lücke zwischen Laborforschung und industrieller Produktion für Beschichtungen zu schliessen: Das ist das Ziel des «Coating Competence Center» (kurz CCC) der Empa, das 2016 in Betrieb ging. Um gedruckte Elektronik, Solarzellen, Dünnschichtbatterien und andere Elemente herzustellen, stehen dort vielfältige Technologien zu Verfügung. Dazu zählen etwa hochmoderne 3D-Drucker für «Additive Manufacturing» (AM) und Geräte, mit denen sich Schichten auf Substraten mit Lichtpulsen aus Xenon-Blitzlampen härten lassen. Von grosser Bedeutung ist das so genannte Magnetron-Sputtern. Dabei wird in Vakuumkammern mit dem Edelgas Argon ein Plasma erzeugt, das Atome aus einem «Target» herauslöst, die sich dann zielgerichtet auf dem gewünschten Substrat niederschlagen. Solche Schichten erreichen üblicherweise eine Dicke zwischen 10 Nanometer und 10 Mikrometer. Mit seinen vielfältigen Möglichkeiten ist das CCC als «Private-Public-Partnership» aufgebaut: Die Idee ist, dass die beteiligten Partner entlang der Wertschöpfungskette von der Wissenschaft bis zur Industrie zusammenarbeiten, um neue Technologien zu entwickeln und kreative Lösungen zu finden.