Endometriose mit KI schneller diagnostizieren

Das ETH-​Spin-off dAIgnose hat einen Algorithmus entwickelt, mit dem sich Ultraschallaufnahmen der Gebärmutter automatisiert auswerten lassen. Dieser soll es Ärzten ermöglichen, Endometriose in Zukunft schneller zu diagnostizieren.

Endometriose ist weit verbreitet. Weltweit leiden etwa zehn Prozent aller Frauen im gebärfähigen Alter daran. Wobei «leiden» wörtlich zu nehmen ist. Dauert es doch im Schnitt acht bis zwölf Jahre bis diese gutartigen Wucherungen der Gebärmutterschleimhaut (Endometrium) im Bauchraum diagnostiziert werden. Jahre, in denen die Frauen meist schon vor und bei jeder Monatsblutung starke Schmerzen ertragen müssen.

Um Endometriose zuverlässig zu diagnostizieren, setzen viele Gynäkologinnen und Gynäkologen bis heute auf eine Bauchspiegelung unter Vollnarkose. Dieser Eingriff ist jedoch nicht nur aufwendig und belastend für die Patientinnen, sondern auch relativ kostenintensiv. Bei den meisten Patientinnen liesse sich Endometriose auch mit Ultraschallaufnahmen diagnostizieren. Dies erfordert allerdings eine gewisse Erfahrung, da die sogenannten Endometriose-​Herde leicht übersehen werden können.

Der KI-​Experte Fabian Laumer und der Gynäkologen Michael Bajka haben deshalb im Sommer 2023 das Spin-​off dAIgnose gegründet. Ihr Ziel: Ein Algorithmus soll künftig Ärztinnen und Ärzten dabei unterstützen, die Ultraschalldaten der Gebärmutter während der ersten Untersuchung zu interpretieren und so Endometriose deutlich zuverlässiger und schneller zu diagnostizieren. Fachliche Unterstützung erhalten sie vom ETH AI Center sowie ihren zwei Mitbegründern, ETH-​Informatikprofessor Joachim Buhmann und Julian Metzler, Endometriose-​Spezialist am Universitätsspital Zürich.

Unternehmer per Zufall

Dass Fabian Laumer heute medizinische Lösungen entwickelt, hat er gleich doppelt dem Zufall zu verdanken. Denn obwohl ihn Medizin und Biologie schon als Kind faszinierten, hat er zunächst Elektrotechnik und Informationstechnologie studiert. Erst bei seinem Master konnte er Künstliche Intelligenz (KI) und Medizin miteinander verbinden. «Durch Zufall erfuhr ich, dass die Forschungsgruppe von Joachim Buhmann eine Masterarbeit über die KI-​basierte Analyse von Ultraschalldaten des Herzens ausgeschrieben hatte», erzählt Laumer. Sofort bewarb er sich – mit Erfolg.

Nach seinem Masterabschluss setze er die Forschungsarbeit im Rahmen einer Doktorarbeit fort. Und erneut kam ihm der Zufall zur Hilfe. Michael Bajka kontaktierte seine Forschungsgruppe mit der Frage, ob KI bei der Erkennung von Endometriose eingesetzt werden könnte. Mit seiner Anfrage war der auf Endometriose spezialisierte Gynäkologe bei Fabian Laumer genau richtig. Der ETH-​Forscher entwickelte im Rahmen seiner Doktorarbeit einen Algorithmus, mit dem Ultraschalldaten des Herzens besser interpretiert werden können. Diesen Ansatz übertrugen sie nun auf die Gebärmutter.

Mit 2D-​Aufnahmen zum 3D-​Modell

Laumer und Bajka entwickelten einen Algorithmus, der Pathologien auf den Ultraschallbildern der Gebärmutter erkennt, die für das menschliche Auge oft schwer oder gar nicht zu sehen sind. Dafür trainierte Laumer den Algorithmus mit Ultraschallbildern und Daten von Patientinnen. «Die Anzahl Schwangerschaften und Kaiserschnitte, das Alter oder die Zyklusphase - all das hat natürlich einen Einfluss auf das Aussehen der Gebärmutter», erklärt er.

Aktuell zeigt der Algorithmus die Endometriose-​Herde bereits durch farbige Markierungen bei 2D-​Ultraschallaufnahmen an. Läuft die Entwicklungsarbeit wie gewünscht, hofft Fabian Laumer bis Ende des Jahres ein 3D-​Modell der Gebärmutter zu generieren, auf dem alle Wucherungen und Verwachsungen deutlich markiert sind. So könnten Gynäkologinnen und Gynäkologen die Endometriose-​Herde genau lokalisieren und die Schwere der Erkrankung besser einschätzen.

Standards für Endometriose Diagnose

Damit die KI-​Lösung von dAIgnose möglichst zuverlässige Resultate liefert, möchten Bajka und Laumer zudem festgelegte Standards für die Ultraschalluntersuchung auf Endometriose definieren. Eine Software mit integrierter KI soll darum künftig aktiv durch die Untersuchung führen. «So erreichen wir eine Standardisierung und zugleich stellt das Programm sicher, dass die gesamte Gebärmutter abgebildet wird.»

Um die Forschung voranbringen zu können, ist das Spin-​off aktuell auf der Suche nach weiteren Investoren und führt erste Gespräche mit Herstellern von Medizingeräten. Läuft alles nach Plan, ist ein Markteintritt Ende 2025 denkbar. Wobei dann noch verschiedene Zertifizierungen anstehen, damit die intelligente Software in Medizingeräten eingesetzt werden darf. Für Laumer steht fest: «Mein Ziel ist es, dass Frauen künftig innerhalb eines Jahres eine verlässliche Diagnose erhalten».

Autorin: Inken De Wit

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