Der Aufbau des One Health Instituts der UZH kommt in Fahrt. Am 21. September findet das Gründungssymposium statt, an dem die beiden Forschungsbereiche Epidemiologie und Evolution im Zentrum stehen.
«Wir sitzen alle im selben Boot», sagt Liza Rosenbaum Nielsen, «die Gesundheit von Wild- und Nutztieren, Menschen und Pflanzen ist stärker miteinander verbunden als die meisten von uns wahrnehmen.» Rosenbaum Nielsen ist Professorin für Präventive Veterinärmedizin an der Universität von Kopenhagen und Mitglied des Advisory Boards des One Health Instituts der UZH.
Sie ist eine der Expert:innen, die am 21. September am Gründungssymposium des Instituts sprechen und erläutern wird, wieso Forschung zu One Health nötig ist: «Der Mensch hat die Tendenz, ohne Rücksicht auf andere Arten und Ökosysteme alles zu dominieren», sagt sie. Damit entstünden viele Probleme für die Umwelt und Gesundheit – nicht nur von uns Menschen.
«Mit den ganzheitlichen Ansätzen von One-Health können diese Probleme angegangen werden.» Die Expertin begrüsst die Initiative der UZH und ist überzeugt, dass daraus ein anerkanntes Institut entstehen wird. Wie berichtet, hat die UZH als erste europäische Universität diesen Sommer ein One Health Institut gegründet.
Die umfassenden Ziele von One Health, wie sie die dänische Forscherin beschreibt, sind eine langfristige Aufgabe. Nun geht es darum, das Institut auf- und auszubauen. Konkret dient das Gründungssymposium vom 21. September dazu, die beiden Bereiche Evolution und Epidemiologie zu schärfen und zu stärken. Wie Thomas Lutz, Professor für Veterinärphysiologie und Leiter des Steuerungsausschusses des One Health Instituts erläutert, fungieren die beiden grossen Bereiche als Querschnittsthemen, die für das ganze Feld der One Health relevant sind.
Inhaltlich fokussiert das Institut in seiner Anfangsphase auf die drei Schwerpunktthemen Zoonosen, Arzneimittelresistenzen und Stoffwechselerkrankungen. Sie reflektieren die Expertise der drei tragenden Fakultäten Vetsuisse, Medizinische Fakultät und Mathematisch-naturwissenschaftliche Fakultät. Für die Querschnittsthemen Evolution und Epidemiologie hat die Institutsleitung zwei Assistenzprofessuren ausgeschrieben. Am öffentlichen Symposium werden nächste Woche ausgewählte Kandidat:innen ihre Forschung zu den Querschnittsbereichen erläutern.
Wieso das Thema Evolution für One Health wichtig ist, zeigt exemplarisch die Paläogenetik, die jahrhundertealtes Gewebe genetisch analysiert und ein Fenster in die Vergangenheit öffnet. Die Disziplin ist dank des Nobelpreises an Svante Pääbo 2022 für die Entschlüsselung des Neandertaler-Genoms auch einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. «Wir können mit der Paläogenetik evolutionäre Entwicklungen von Zoonosen rekonstruieren und alte Tierreservoirs bestimmen», sagt Verena Schünemann, Professorin für Paläogenetik am Institut für Evolutionäre Medizin der UZH.
Schünemann hat eine ganze Reihe wichtiger Krankheitserreger untersucht, die von Tieren auf Menschen übertragen werden und Millionen von Toten gefordert haben. Zum Beispiel Yersinia pestis, den Erreger der Pest. Untersuchungen alter Proben aus dem Mittelalter haben gezeigt, wo der gefährliche Erreger ursprünglich auf Menschen übergesprungen ist und zu tödlichen Epidemien geführt hat. «Der Blick in die Vergangenheit, auf die grossen Pandemien genauso wie auf lokale Epidemien und ihre Auslöser hilft, die Entstehung der Seuchen besser zu verstehen», sagt die Forscherin.
Die Analyse der genetischen Unterschiede der verschiedenen Stämme zeigt das Potential für evolutionäre Veränderungen des Erregers und lässt Rückschlüsse auf das Gefährdungspotential zu. Der Pest-Erreger ist ja noch längst nicht ausgerottet und führt vor allem in Afrika immer wieder zu Ausbrüchen.
Die Paläogenetik kann auch mithelfen, die Hintergründe ökologischer Katastrophen besser zu verstehen. Zum Beispiel im Fall des Kartoffelschädlings Phytophtora infestans, der zur grossen irischen Hungerkatastrophe im 19. Jahrhundert und zur Migration vieler Menschen geführt hat. Schünemann und Kollegen konnten anhand von Proben aus Herbarien zeigen, dass es sich um einen einzigartigen Stamm (Linie) gehandelt haben muss, der unterdessen wahrscheinlich verschwunden sei. Hier stellt sich die Frage, welche (Umwelt)-Veränderungen diese Linie des Schädlings hervorgebracht und wie sie durch andere Linien verdrängt wurde.
Ein weiteres Feld, wo die Paläogenetik hineinspielt, betrifft die Entwicklung von Resistenzen gegenüber Wirkstoffen oder die Entstehung und Bildung von Schädlingsreservoirs in Tieren. Der Tuberkulose-Erreger kann beispielsweise ausgesprochen gut zwischen Tier- und Menschenpopulationen hin- und herspringen. Ebenso die Influenza-Erreger, die in einem komplizierten Kreislauf von Veränderungen und Anpassungen zwischen Vögeln, Schweinen und Menschen hin- und-herwechseln und regelmässig zu gefährlichen Pandemien führen.
Zum Beispiel im Fall der Spanischen Grippe am Ende des ersten Weltkriegs 1918. Auch hier lieferte die Paläogenetik die entscheidenden Puzzlesteine zum Verständnis der Faktoren, die zur Bildung des Pandemiestammes führten, erläutert Verena Schünemann, die mit diesen Linien gearbeitet hat.
Wie die Pandemie mit Sars-CoV2 gezeigt hat, stehen Epiemiolog:innen an vorderster Front, wenn es um die Bekämpfung eines Krankheitserregers geht, das gilt sowohl in der Human- wie der Veterinärmedizin. «Oft sind es Epidemiolog:innen, die als erste die Verbreitung eines Krankheitskeimes festestellen und Informationen zur Entwicklung von Massnahmen liefern», sagt Adrian Hehl, Professor für Parasitologie und Mitglied des Steuerungsausschusses des One Health Instituts.
Er verweist auf die aktuell grassierende Afrikanische Schweinepest in Osteuropa. Zurzeit sind vor allem Wildschweine betroffen, die das Virus auf Nutztierbestände von Schweinen übertragen können. Die ansteckende Tierseuche endet meist mit dem Tod der Tiere, für den Menschen hingegen stellt sie keine Gefahr dar. In dieser Situation seien Epidemiolog:innen gefragt, die die Ausbreitung der Seuche modellieren können.
«Das Feld der Epidemiologie ist sehr breit», sagt Hehl. Es reicht von der Identifizierung und Verbreitung von Krankheiten und Keimen über die Ausbreitung von Resistenzen bis zur Analyse landwirtschaftlicher Praktiken, die das Entstehen neuer Erkrankungen oder Keime begünstigen. Letztlich gehe es darum, mithilfe der Epidemiologie Zoonosen und Krankheiten unter Kontrolle zu kriegen, sagt Hehl, was eine besonders enge Zusammenarbeit zwischen Veterinär- und Humanmedizin bedingt.
Während die beiden Professuren zur Evolution und Epidemiologie über die Förderlinie TRANSFORM finanziert werden, ist eine dritte Professur im Bereich Digital One Health geplant, die finanziell von der Vetsuisse-Fakultät getragen werden wird. «Grosse Datenmengen spielen auch in One Health eine immer wichtigere Rolle», sagt Thomas Lutz. Hier möchte man von Beginn an kompetitiv mit dabei sein und bereite eine Berufung vor. Inhaltlich wird es darum gehen, durch intelligente Analysen grosser Datenbestände neue Forschungsansätze zu entwerfen.
One Health verfolgt im Kern einen interdisziplinären Forschungsansatz und das Institut vertieft und erweitert die existierenden, disziplinenübergreifenden Netzwerke der Universität. Hier kann die UZH eine ihrer Stärken ausspielen, wie Liza Rosenbaum Nielsen festhält. «Die Interdisziplinarität und weltweite Anerkennung ihrer Forschung qualifizieren die UZH für ihre One-Health-Initiative und sind Voraussetzung für ein erfolgreiches Institut.»